Begegnungen
Auf dem Weg zu ihm nehmen die der Sonne geschuldeten Glücksgefühle, gepaart mit der Vorfreude auf unsere gemeinsame Zeit Überhand.
Meine Fenster sind geöffnet und die warme Luft füllt mein Auto und meine Lungen während ich laut singe.
Am Stall angekommen stürmen der Dobermann und der Riesenschnauzer bellend, schwanzwedelnd und springend auf mich zu.
Der Krach erweckt ihn aus seinem Tagtraum, er hebt seinen schönen, rehbraunen Kopf und wiehert mir zu als er mich erblickt.
Wir beschäftigen uns einen Augenblick mit den Bananen, die ich ihm mitgebracht haben, ehe wir die Stallungen verlassen und in den Frühling hinaustreten.
Er senkt seinen Kopf, während er mir aus dem Grundstück hinaus in unsere kleine, blühende und zwitschernde Welt folgt.
Als wir die erste Steigung passieren und bereits die Weinberge erblicken können, treffen wir auf sie.
Sie lächelt, allerdings lächeln ihre Augen nicht. Augen, die schon viele Dinge gesehen haben, Augen, die müde sind. Müde von der Welt und dem Schicksal.
Sie fragt mich, ob sie ihn berühren darf und, dass sie Pferde so sehr liebe.
Sie sagt mir immer wieder, wie schön er ist und ich muss lächeln, weil ich seine Schönheit nicht in Worte fassen kann.
Er ist so alt geworden über all die Jahre, sein Winterfell ist stumpf und die Mähne zeigt in alle Richtungen und dennoch ist sein Anblick das Schönste, was mir unter die Augen kommen kann, sein Anblick ermüdet mich auch nach all den Jahren noch immer nicht.
Ich sage zu ihr, dass wir nun weiter müssten und frage sie, ob sie uns begleiten möchte.
In diesem Moment beginnen die traurigen, müden Augen zu strahlen und sie nickt stumm.
Während wir unseren Weg gehen erzählt sie mir von ihrem Leben.
Sie redet von den Dingen, die die müden Augen gesehen haben und sie sagt mir immer wieder, wie sehr sie Pferde liebe.
Sie wiederholt immer wieder wie schön er sei und ich grinse abermals, weil ich es weiß.
Als wir den Berg hinter uns gelassen haben müssen wir anhalten, weil sie keine Luft bekommt.
Sie ist so dünn, so wahnsinnig dünn.
Die schönen, langen, blonden Haare fallen über ihre knochigen Schultern während sie in die Hocke geht um ihr rasendes Herz zu beruhigen.
Nachdem ihre Atmung sich verlangsamt hat gehen wir unseren Weg weiter der Sonne entgegen.
Sie redet beinahe ununterbrochen, als habe der Mund mit den vielen kleinen Falten, welche vom jahrelangen Rauchen kommen schon sehr lange nicht mehr gesprochen.
Sie erzählt von ihren Katzen, die sie zwanzig Jahre bei sich hatte, die für sie wie die Kinder waren die sie niemals hatte.
Während ihre blauen Augen wieder von der Trauer umschleiert werden lächle ich abermals, weil ich weiß wovon sie spricht.
Ich blicke den braunen Kopf an, der sich an meine Schulter drückt und seine Ohren drehen sich zu mir und ich fühle, dass mein Kryptonit weiß, was ich denke.
Als ich vor dem Tor halte verabschiede ich mich von ihr.
Sie wirkt so unbeschwert und glücklich, ein Anblick, welcher mich glücklich macht.
Sie sagt mir, dass sie sich freuen würde uns wieder zu sehen und ich erwidere das von ihr Gesagte.
Bevor sie mich verlässt sagt sie mir, dass ich sie heute sehr glücklich gemacht habe, doch genau genommen war es die ihre Person, die mich umso glücklicher gemacht hat.
Begegnungen wie die heutige stimmen mich stets nachdenklich.
Es treffen zwei Menschen, die keine Gemeinsamkeiten haben, die nicht des selben Alters entsprechen, die nicht einmal in der selben Örtlichkeit wohnhaft sind aufeinander.
Zwei Menschen, die niemals miteinander sprechen würden und dennoch sind beide Menschen anschließend reicher.
Das Leben ist voller Zufälle und wir sind gegenüber dieser Zufälle machtlos.
Annika ♡
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